Understory und das Feuer von Northcliffe

Northcliffe ist ein kleiner Ort ziemlich mitten im Nirgendwo, oder wie sie selbst sagen:

Was es in Northcliffe gibt, neben einem General Store/Tankstelle, einem Café mit dem lieblichen Namen „Hollow Butt Café“ und dem Northcliffe Pioneer Museum (das wir nicht besucht haben), ist eine Skulpturensammlung im Wald. Und die ist wirklich sehenswert.

[Understory](http://www.understory.com.au/) heisst die in der Natur gelegene und in ihr verankerte Skulpturensammlung. Entlang eines 1.2 Kilometer langen Fussweges finden sich kleine und grosse Kunstwerke, die direkt oder indirekt mit der Natur und der Landschaft verbunden sind. Teils ist es eine wahre Schatzsuche, die Skulpturen zu finden. Teils aber auch nicht:

Besonders eindrücklich, auch weil sie so zahlreich sind und zum Teil so eins sind mit den Bäumen, in die sie versteckt wurden, sind die Gesichter und Oberkörper aus Kohle. Mehr als 40 davon hat die Künstlerin erstellt, sie portraitieren Menschen aus Northcliffe, die vom letzten verheerenden Feuer im Jahr 2015 betroffen waren: Feuerwehrleute, Freiwillige, Anwohner die evakuiert wurden und Farmer, die ihre Lebensgrundlage verloren haben.

Glücklicherweise nur zwei, erzählt uns Sue aus dem Visitor Centre, als wir sie darauf ansprechen. Sie selbst wurde nach Pemberton evakuiert, vielmehr entschied sie selbst zu fliehen, als verkohlte Blätter anfingen, auf sie herabzuregnen. „Dry lightning“, also Gewitter ohne Regen, hatten die Feuer ausgelöst. Das gäbe es nur im Februar, denn bei den Gewittern im November und Dezember sei der Boden in der Regel noch feucht. Doch am Ende des Sommers würde jeder sehr achtsam auf den Wald schauen, wenn es zu gewittern begänne.

Wie gross das Feuer gewesen sei, wollten wir wissen. Rund 95.000 Hektar Land gingen bei diesem Feuer verloren, berichtet sie. Je länger der Waldboden ausgetrocknet gewesen sei, desto höher seien die Temperaturen. Das Feuer in den Baumwipfeln sei dem Feuer am Boden einige Kilometer voraus gewesen. Und dieses Feuer würde seinen eigenen Wind machen, sodass es sehr schwer sei, es unter Kontrolle zu bringen. Ausserdem brenne Eukalyptusöl wirklich gut.

Zwei Jahre zuvor hatte es in einem angrenzenden Landstrich gebrannt. Die Feuerwehrleute hätten versucht, das Feuer in Richtung dieses Bereichs zu drängen. Leider habe es sich dann einen Weg in die andere Richtung gebahnt, und die Methanblasen, die sich in den flachen Landschaften an der Küste im Boden befänden, hätten zu richtigen Explosionen geführt. Es sei blosses Glück, dass das Feuer nicht bis in den Nationalpark vorgedrungen sei: Der Wind habe gedreht.

Sie holt einen Ordner hervor und blättert ihn durch. Viele der in den Berichten abgebildeten Feuerwehrleute hätten sie zwischenzeitlich verloren, sagt sie traurig. Darüber, was diese Einsätze mit den Einsatzkräften machen würde, würde niemand berichten. Psychologische Hilfe bekämen sie zwar schon, aber erst nach dem Trauma. Der Druck sei immens, so viel Verantwortung für anderer Leute Leben und deren Hab und Gut.

Wir erzählen ihr, dass wir natürlich die Berichte über die Buschbrände im Süden im Fernsehen gesehen hätten, und immer wieder beeindruckt seien über den Zusammenhalt der Australier. Ja, sagt sie, in Australien lebe man zum Teil weit von Familie und Verwandten entfernt. Da sei es sehr wichtig, dass man Freunde in der Community hätte. Man würde sich einfach gegenseitig helfen.

Wie bedrohlich sich solche Gewitter anfühlen können, durften wir gleich am nächsten Morgen miterleben. Es hatte bereits geregnet, und auch dieses Gewitter kam mit kurzen, aber heftigen Schauern. Trotzdem wirkt es noch einmal anders als wir es von zuhause gewöhnt sind, allein aufgrund des grossen, weiten Himmels.

Und wenn es vorbei ist, ist der Himmel einfach wieder blau.