Australian War Memorial

Canberra (es fällt mir wirklich schwer, nicht wie die Nachrichtensprecher:innen „Kän-berra“ zu betonen, sondern australisch „Kähnbra„) ist eine Planstadt. Im Grunde aus einem ähnlichen Grund Hauptstadt, wie Bonn Bundeshautpstadt wurde – Sydney und Melbourne konnten sich nicht einigen. Nach einigen politischen Ränkespielchen („wir sagen nur ja, wenn die Hauptstadt zumindest auf dem Boden von New South Wales liegt!“) entschied sich eine Kommission 1908 im neunten Wahlgang für den Standort rund um das heutige Canberra.

Gebaut wurde nach den Plänen des Amerikaners Walter Burley Griffin (künstlerisch unterstützt von seiner Frau Marion). Die Bauarbeiten begannen wenige Wochen vor der offiziellen Stadtgründung am 13. März 1913, den Status als Hauptstadt erhielt Canberra am 9. Mai 1927.

Die Planung zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte noch unter der Prämisse, dass das Automobil der Höhepunkt technischer Entwicklung sei (oder vielleicht auch, dass Menschen eher zu Pferd denn zu Fuss unterwegs sind?), erlaufen lässt sich die Stadt nämlich denkbar schlecht. Öffentlichen Nahverkehr gibt es auch wenig. Dafür lange, gerade Strassen und geometrische Formen (Kreise, Dreiecke), und Blick-Achsen zwischen den wichtigsten Gebäuden. So zum Beispiel vom Australian War Memorial über die Anzac Parade zum Parlament.

Der Besuch im Australian War Memorial lässt mich etwas ratlos zurück. Handwerklich ein sehr schön gemachtes Museum – und auch ein sehr schönes Memorial. Aber die Vermischung dieser beiden Themen fällt mir schwer.

Wenn man von der Stadt kommt, findet man zuerst den Sculpture Garden vor – dort, neben den üblichen heroischen Posen, auch zwei besondere Skulturen: Grosse Marmorkugeln erinnern an die Tränen der Kriegsbeteiligten (ob selbst aktiv, oder als Angehörige), die mit den psychischen Folgen ihrer traumatischen Erlebnisse zu kämpfen haben. Und auch die Erinnerung daran, dass die Aboriginal und Torres Strait Islander, die von den (faktisch gesehen) Besetzern des noch jungen Landes Australien nur Diskriminierung, Gewalt und Segregation kannten, und sich dennoch seit dem ersten Weltkrieg beteiligt haben an der Verteidigung dieses Landes und dessen Verbündeter, ist lobenswert. Aber damit endet dann auch fast die kritische Auseinandersetzung mit der Beteiligung Australiens an sämtlichen globalen Konflikten seit 1914.

Der Eingangsbereich des Memorials ist den Kriegshelden gewidmet – den Empfängern des George Cross und des Victoria Cross, den höchsten militärischen Auszeichnungen, die von König oder Königin verliehen werden. Daneben persönliche Gegenstände, Memorabilia, die Telegramme („I regret to inform you…“) bei posthumer Verleihung. Im Zentrum ein Reflection Pool, und eine Halle, deren Dekoration seltsam sowjetisch anmutet. Ausserdem die lange, lange Liste von Namen Gefallener, mit den im angelsächsischen Raum üblichen roten Mohnblumen als Erinnerungssymbol („lest we forget“).

Wichtig ist es, dass der Toten gedacht wird; dass sie (aus welchen Gründen auch immer sie überhaupt in den Krieg gezogen sind oder wurden) nicht umsonst gestorben sind. Nur:

Danach ging es in einen Museums-Teil über, 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, Koreakrieg (1950-1953), Vietnam, und dann alles, woran man sich seit den 1990er-Jahren so weltweit beteiligen kann. Hier enorm wenig Auseinandersetzung mit den harten Realitäten von Kriegen, nur eine Wand dem Widerstand gegen den Vietnam-Krieg gewidmet (sehr ähnlich zur politischen Diskussion in den USA). Ansonsten: Lächelnde Gesichter, strahlende Soldat:innen, winkende Angehörige, Kylie Minogue’s Truppenkonzert 1999 (dass es sowas nach WW2 noch gab, war mir überhaupt nicht klar). Wir haben vor kurzem zwei der bekanntesten Vietnam-Kriegsfilme angeschaut (Apocalypse Now und Full Metal Jacket), und mit diesen Bildern im Hinterkopf (sicher auf andere Weise extrem, aber wahrscheinlich näher an der schmutzigen Wahrheit als die Ausstellung) tat ich mir schwer, das Museum als mehr als Propaganda wahrzunehmen.

Dass es grundsätzlich wichtig ist, solche Museen zu haben, erlebte ich während des Besuches gleich zwei Mal – im Vietnam-Teil sass eine Dame mit ihrem Vater und liess sich von ihm seine Sicht des Krieges berichten, er war offenbar Veteran. Und ein älterer deutscher Besucher sagte zu dem ihn begleitenden jüngeren Mann: „Jo, min Vadder hat da auf der anderen Seite gekämpft.“ Solche Dialoge sind wichtig!

Aber puh – diese Vermischung zwischen Gedenken und geschichtlicher Darstellung? Schwierig.

Was ich gelernt habe, und beeindruckend fand: Es gab in den beiden Weltkriegen, und nun seit 1999 wieder, offizielle Kriegs-Künstler:innen. Diese reisen mit den Truppen an ihre Einsatzorte, und bilden dort auf künstlerische Weise den Alltag ab. Die Kunst soll den Dialog anregen, auch mit den Truppen, und mit der Bevölkerung „daheim“.

In Summe: Schwierig. Aber es war gut, dort gewesen zu sein.